Holz rottet – Stahl rostet – GFK bekommt Osmose! Jedes Bootsbaumaterial leidet an seinen spezifischen Alterskrankheiten. Osmoseschäden an GFK-Rümpfen sind leider nicht vorhersehbar. Die typische und gefürchtete Blasenbildung im Unterwasserbereich kann in fast jedem Lebensalter einer Yacht auftreten. Jeder Eigner eines GFK-Schiffes sollte sich über dieses Thema informieren, um die besagte „GFK-Pest“ nicht zu unterschätzen oder gar zu übersehen.
Ein kurzer Ausflug in die Physik ist notwendig, um den Ablauf einer Osmose zu erläutern: Der Begriff „Osmose“ beschreibt im Grunde einen in der Natur alltäglichen, physikalischen Prozess. Es versuchen hierbei zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Konzentrationen Durch eine halb-durchlässige Membran einen Konzentrationsausgleich zu erreichen. Dabei lässt die höher konzentrierte Lösung (Wasser mit gelösten Substanzen aus dem Laminat) durch die Membran (Gelcoat) die niedriger konzentrierte Lösung (Wasserdampf von der Außenseite) diffundieren. Was der Eigner an seinem Rumpf sieht, ist somit korrekt genommen das Resultat: Eine Blasenbildung hervorgerufen durch einen osmotischen Prozess.
Ursachen einer Osmose Die Ursachen für eine Osmose sind vielfältig. Häufigste Fehlerquellen sind bereits beim Bau des Rumpfes die Verwendung von unzureichenden Materialqualitäten oder nicht fachmännische Verarbeitungsmethoden. Aber auch die Umwelteinflüsse während der Nutzung spielen eine wichtige Rolle. Eine kleine Übersicht der häufigsten Ursachen:
Kleine Luftblasen im Laminat, die während der Verarbeitung nicht entlüftet worden sind.
Die Glasfasern sind nicht vollständig mit Harz getränkt worden.
Die Gelcoatschicht ist zu dünn dimensioniert oder nur mangelhaft vernetzt (Über- bzw. Unterdosierung des Härters).
Die Polyesterharze und Glasfasermatten des Laminats sind qualitativ nicht für eine dauerhafte Wasserbelastung geeignet.
Wasserqualität und Wassertemperatur. Testreihen belegen, dass Süßwasser sowie warme Temperaturen Osmose begünstigen.
Keine Regenerationsmöglichkeit des Rumpfes an Land z.B. durch Trocknung während des Winterlagers.
Bedingt meist durch das Zusammenspiel mehrerer dieser Schwachpunkte kann der Wasserdampf durch das Gelcoat, welches im Hinblick auf die Polyester-Basis nicht Vollständig diffusionsdicht ist, in die kleinen Hohlräume des Laminats diffundieren. Dort kondensiert der Dampf zu Wasser und kann in dieser Form nicht mehr zurück entweichen. Die häufigsten Schwachstellen sind meistens kleine Lufteinschlüsse zwischen der Gelcoat-Schicht und der ersten Laminatschicht. Das Wasser reagiert dort mit wasserlöslichen, chemischen Substanzen von Harz, Härter oder Bindemittel.
Diese Flüssigkeit versucht sich weiter zu verdünnen und zieht immer mehr Wasser von aussen in den Hohlraum. Der auf diese Weise entstehende Innendruck verformt das Gelcoat und zeichnet sich als allmähliche, größer werdende Blasenbildung in der Außenhaut ab. Zuletzt ist der Innendruck in den Blasen so groß, dass das Gelcoat sogar aufplatzen kann. Der Prozess einer Osmose erfolgt überwiegend von außen, d.h. der Wasser zugewandten Seite, nach innen. In selteneren Fällen kann sich eine Osmose auch im Innenbereich z.B. in einer stets feuchten Bilge oder durch undichte oder schlecht eingepasste Wassertanks entwickeln. Sogar im Überwasserbereich können die Blasen durch Schwitzwasser aufgrund einer zu eng sitzenden Plane entstehen.
Diagnose Sollten Ihnen also beim Aufslippen des Schiffes im Herbst kleine Blasen am Rumpf auffallen, sollten diese umgehend untersucht werden. Eine Blasenbildung kann durchaus unterschiedliche Ursachen haben wie z.B. durch Lösemitteleinschlüsse im Antifouling oder in der Primerschicht. Die typischen Osmose-Bläschen sind in oder unter der Gelcoat-Schicht zu finden. Enthalten die Blasen eine Flüssigkeit, muss diese gründlich geprüft werden. Riecht diese meist bräunliche Flüssigkeit säuerlich bzw. reagiert diese beim Test mit Lackmuspapier sauer, liegt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Osmose vor. Die sofortige Untersuchung ist notwendig, da die kleineren Blasen bereits nach kurzer Zeit wieder „verschwinden“. Eine Osmose ist aber nicht reversibel, d.h. sie bleibt latent im Laminat vorhanden und „erwacht“ bei einer erneuten Wasserbelastung wieder zum Leben.
Handlungsbedarf zum Werterhalt ist auf jeden Fall unvermeidlich. Eine wachsende Wasseraufnahme im Laminat kann zu einer Delaminierung der einzelnen Schichten führen und die Stabilität des Rumpfes stark beeinträchtigen. Lautet die Diagnose „Osmose“, ist nicht nur der sprichwörtliche „Gute Rat“ teuer. Ob man selber Hand anlegt oder einen Fachbetrieb mit der Reparatur beauftragt, ist ebenso vom Ausmaß der Osmose abhängig zu machen wie natürlich auch vom Geldbeutel, den handwerklichen Kenntnissen und der Arbeitsmöglichkeit des Eigners. Für eine professionelle Einschätzung – auch beispielsweise beim Kauf einer GFK-Gebrauchtyacht - sollte man einen Sachverständigen auf diesem Gebiet zu Rate zu ziehen. Die Fachleute können das Ausmaß einer Osmose und die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen kompetent beurteilen.
Sanierung Bevor mit der eigentlichen Sanierung des Rumpfes begonnen werden kann, sind einige wichtige Punkte im Vorwege generell zu beachten:
Entfernung aller Altanstriche (Antifouling, Primer etc.).
Jede einzelne Blase wird sorgfaltig geöffnet bzw. bei größeren Schaden wird das Laminat durch Schleifen, Fräsen oder Strahlen des Gelcoats freigelegt.
Bei einer größeren Sanierung wird auch ein Teilbereich oberhalb der Wasserlinie mitbehandelt, um ein Osmose-Potential aus diesem Bereich ausschließen zu können.
Die Flächen werden mehrmals gründlich mit Frischwasser gespült, um die gelösten Substanzen vollständig herauszuwaschen.
Das Laminat muss längere Zeit trocknen können, damit alle Feuchtigkeit restlos aus dem Rumpf verdunsten kann. Während dieser Zeit sollte der Feuchtigkeitsgrad an mehreren Stellen des Rumpfes regelmäßig mit einem Feuchtemesser gemessen werden. Vergleichswerte werden ebenfalls vom trockenen Überwasserbereich genommen. Eine zu voreilige Beschichtung des Rumpfes beseitigt nicht die Osmose, sondern konserviert diese vielmehr im Untergrund. Ist der erforderliche Trockenheitsgrad erreicht, wird die gesamte Flache erneut übergeschliffen und der Schleifstaub entfernt.
Entstandene Unebenheiten durch das Öffnen der Blasen werden mit einem Epoxy- Spachtel wieder ausgeglichen.
Die angeschliffene Gelcoatschicht wird nun durch einen Neuaufbau mit einem 2-komponentigen Epoxy-Primer ersetzt. Die empfohlene Schichtstärke des Primers sollte mind. 350 μm erreichen. Falls die Gelcoatschicht komplett entfernt werden musste, muss eine Primerschichtstärke von mind. 600 μm aufgetragen werden.
Bei einer schwerwiegenden Osmose muss die Festigkeit des Rumpfes durch den erneuten Auftrag von Laminatschichten wieder hergestellt werden.