Der Segelsport hebt ab, doch fliegen die Sportler mit? Nur bedingt. Darin sind sich die Experten einig. Denn Foiling und Highspeed-Segeln ist aktuell noch etwas für erfahrene Akteure.
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Steigerung der Attraktivität
Das Agieren auf den Unterwasserflügeln wird auch auf Kats immer einfacher und die Entwicklungen aus dem hochprofessionellen Bereich werden zunehmend in den Freizeitbereich übertragen. Katamaran-Experte Helge Sach, der mit seinem Bruder Christian Kat-Events, Highspeed-Segeln und Foiling anbietet, sieht durch die Hochtechnologie im Profi-Circuit und die spektakuläre Medialisierung wie beim America’s Cup die Attraktivität des Segelsports deutlich steigend.
„Viele Leute kommen in die Segelschulen und wollen segeln lernen. Und die neue Event-Serie von Larry Ellison, der Sail GP, ist perfekt, um weiterhin für spektakuläre Bilder zu sorgen“, so Helge Sach. Doch der Sprung vom ersten Einstieg hin zum eigenen Boot gelingt oft nicht: „Einen Kat zu kaufen, ist noch einmal eine andere Sache. Viele wollen lieber im Urlaub chartern.“ Damit bleibe auch das Foilen eher im Mitsegel-Modus stecken. „Für normale Urlauber ist das selten etwas. Ein Schwert-Katamaran wie ein F18 ist eher das Richtige. Das ist wie beim Jollensegeln. Ein Einsteiger geht auch nicht gleich auf einen 49er“, sagt Helge Sach.
T-Foils und Flughöhensteuerung
Trotz der Einstiegshürde werde das High-End-Segeln immer mal wieder nachgefragt oder per Gutschein zu Weihnachten verschenkt. Während es bei den Brüdern Sach auf Katamaranen wie dem Nacra20 oder dem M32 höchst sportlich zugeht, fliegt man auf Kielboot-Foilern wie dem Quant23 als Mitsegler fast schon gemütlich über das Wasser. Das Sportcamp von Heinz Stickl in Malcesine am Gardasee hat sich darauf spezialisiert, Foilen so einfach wie möglich zu gestalten und den Kunden anzubieten. Der Quant 23 ist daher im Angebot. Aber auch agile Kats und Skiffs mit Foils können hier von den Kunden ausprobiert werden.
Mit individueller Motorboot-Betreuung geht es bei Stickl auf das Wasser. Der iFly-Katamaran hat sich dabei als ideale Plattform erwiesen. Mit seiner Flughöhensteuerung per Fühler und T-Foils an Rudern und Schwertern gelingt schnell der Einstieg. „Einmal richtig eingestellt, ist das fast wie auf einem fliegenden Teppich. Der Kat kommt easy raus, ist super safe und stabil. Wir sind jetzt an dem Punkt, dass wir das Foilen in das normale Kursprogramm aufnehmen können. In dem Moment, in dem ein Segler sicher im Trapez steht und keine Angst vor dem Speed hat, geht das wunderbar“, berichtet Heinz Stickl, der mit Einsteiger-Motten wie der Waszp oder der Skeeta auch kleine Center-Foiler im Programm hat.
Auch wenn hier die Herausforderungen gegenüber einer technisch hochgerüsteten Motte abgespeckt sind, verlangt es doch schon eine gehörige Portion Gefühl, um nicht aus der Luft aufs Wasser zu fallen. Heinz Stickl arbeitet daher an der Idee, junge Segler aus der Skiff- und sportlichen Jollenszene in Frühlings- oder Herbstcamps zu schulen. Die boot ist für den Pionier der Schulung auf modernen Segelsport-Geräten natürlich ein Pflichttermin, um zu sehen, was sich weiterhin auf dem Markt tut.
Entwicklungen schreiten schnell voran
Und die Entwicklungen gehen immer weiter. Kaum hat sich ein Hersteller oder Entwickler auf dem Markt präsentiert, zieht ein anderer nach. Topaktuelle Neuerscheinungen sind die 69F oder Gonet, rasante Kielboote mit Foils. Das Foiling Dinghy ist seit diesem Jahr auf dem Markt und soll die Lücke zwischen dem Laser und den fliegenden Motten füllen. „Das Boot ist so einfach wie ein Laser oder eine Europe zu segeln, ohne dass man an den Foils etwas verstellen muss“, erklärt Thilo Keller, Schiffbau-Ingenieur an der TU Berlin. Das Boot hat sich schnell etabliert, schon nach ein paar Monaten war eine zweistellige Zahl des Foiling Dinghy verkauft. Zu sehen ist das Foiling Dinghy zur boot in der Tech Zone in der Halle 15.
Während diese Produkte immer mehr die breite Masse in den Fokus nehmen, bleibt der A-Cat eine Klasse für ganz ausgewiefte Tüftler. Bei der gerade in Australien zu Ende gegangenen WM wurde gezeigt, was viele bis dahin noch nicht einmal gedacht haben. Glenn Ashby, Skipper des AC-Siegerteams Emirates Team New Zealand, verfügte in der Steuerung über ein Differential des Rudersystems. Durch die unterschiedliche Anstellung der Ruderblätter konnte das Aufrichtende Moment des foilenden Kats erhöht werden. Damit war es Ashby möglich, mehr Druck auf das Rigg zu bringen. Die Folge: Der Australier flog der Konkurrenz auf und davon. Ob diese filigrane Steuerung irgendwann im Segelalltag ankommt, steht sicher in Frage.
Andere Entwicklungen wie etwa das Decksweeper-Segel aus dem hochgezüchteten Katbereich haben den Weg schon eingeschlagen. „Innerhalb von ein, zwei Jahren sind diese Segel in der F18-Regattaszene zum Standard geworden“, berichtet Helge Sach. „Und selbst der Topcat K3 hat inzwischen diese Segel.“ Der Kat-Profi erwartet auch, dass andere Entwicklungen sich nach unten durchsetzen werden. Die Doppelsegel beim nächsten America’s Cup, die den Flügel von 2017 ersetzen sollen, haben sicherlich Potenzial. „Ich glaube, das wird nicht ohne Folgen bleiben. Die Wings waren zu schwer umzusetzen, aber diese Segel könnten eine gute Idee sein.“ Zur boot wird Helge Sach beim Sailing Center über die Entwicklungen des Segelsports und die Möglichkeiten des Foilens berichten.
Enormer Zulauf in der Multihull-Szene
Doch nicht für jedermann ist das Motto „easy to fly“ das richtige. Detlef Mohr, Rekord-Europameister auf verschiedenen Hobie-Kats, sieht unter vielen Seglern auch die Tendenz zurück zu den Basics. „Bei den Hobie 16 machen wir die erstaunliche Erkenntnis, dass die Jugend kommt. Selbst aus dem 29er steigen einige um – sei es, weil andere Klassen zu technisch sind oder auch der Leistungsdruck zu hoch ist.“ Diese Entwicklung hin zu etablierten Klassen gelte nicht nur für den Hobie 16, sondern auch für den Dart 18. „Das liegt auch an den begrenzten Einsatzmöglichkeiten der technisch hochgezüchteten Boote. Da muss dann der Wind- und Wellenbereich passen, auf einigen Revieren ist Foiling kaum möglich“, so Mohr.
In einigen Vereinen habe sich die Entwicklung der vergangenen Jahre bereits umgekehrt. Erst seien viele Kat-Segler auf moderne Sportgeräte umgestiegen. Dann ließen sich diese nur mit großem Aufwand betreiben und beherrschen und standen oft an Land. Und inzwischen halten wieder die ursprünglichen Klassen Einzug, um die Akteure unproblematisch auf das Wasser zu bringen. „Natürlich hat das Ganze auch eine finanzielle Komponente. Die modernen Technologien haben ihren Preis. Bei mir im Laden war noch niemand, der nach Foiling-Booten gefragt hat“, sagt der Inhaber von Sport Mohr in Reinfeld.
Auch Mohr sieht die Tendenz hin zu Urlaubsseglern, die neben anderen Möglichkeiten eben auch immer mal wieder für die schönste Zeit des Jahres aufs Wasser wollen, gleichzeitig aber die Anschaffung und den Unterhalt eines eigenen Bootes scheuen. „Die Breite der Segel-Interessierten träumt eben von türkisfarbenem Wasser und bunten Segeln und nicht von spektakulären Überschlägen mit Foilern.“
Der Spaß am Speed geht aber bei eingefleischten Seglern und Surfern nicht so schnell verloren. Als Partner für die dänischen Dragonfly-Werft vertreibt Mohr auch die rasanten Fahrten-Trimarane. „Das ist eine Marktnische, die derzeit sehr gut ausgebucht ist. Ehemalige Strand-Kat-Segler wollen zwar nicht mehr so nass segeln, wollen aber doch schneller unterwegs sein als mit einem Kielboot.“ Dragonfly (Halle 15 / Stand A28) und Corsair (Halle 15 / Stand B48) bedienen mit ihren klappbaren Trimaranen dieses Bedürfnis. Aber insgesamt ist das Segeln auf Reise-Katamaranen und -Multihulls groß im Kommen. Detlef Mohr: „Das wird man zur boot in Halle 15 sehen. Der Zulauf bei den Multihulls ist riesig, und die Besucher stehen Schlange, um auf die Boote zu kommen.“