07.10.2021
Von Andrea Hoeppner
Sie zählt zu den bekanntesten Stars der deutschen Windsurf-Geschichte. Dreimal wurde die Hamburgerin Andrea Hoeppner zur Weltmeisterin gekrönt, unzählige Male als Champion gefeiert. Ihre Passion für den Sport in Wind und Wellen lebt sie mit großem Herzen und auf vielseitige Weise gerne im Revier ihrer zweiten Heimat Fehmarn aus. Als erfolgreiche Inhaberin der Agentur Hoeppner Sport- und Markenkommunikation und strategische Beraterin der boot Düsseldorf seit einem dynamischen Dutzend Jahren, gibt die aktive Windsurferin, Wingfoilerin und SUP-Genießerin zum Neustart nach der Pandemie einen Überblick über die wichtigsten Trends in der Surf- und Fun-Wassersportbranche.
Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel – und die Wings – richtig setzen. Frei nach Aristoteles schaue ich aktuell auf die Trends und Bewegungen in der Branche. Nach eineinhalb Jahren Pandemie-Geschehen lässt sich festhalten: Ja, es hat einige starke Veränderungen gegeben. Die allermeisten davon sind mit Blick auf den Surf- und Fun-Wassersport glücklicherweise positive Neuentdeckungen sowie multitalentiertes und zunehmend nachhaltiges Material. Schauen wir zuerst auf die Reviere, weil hier die dramatischste Verschiebung stattgefunden hat.
VON NEUEM MATERIAL BEFLÜGELT: HEIMATREVIERE WEITER IM AUFWIND
Befeuert durch die lange Zeit der Reisebeschränkungen, haben sich unsere Heimatreviere der Neu- und Wiederentdeckung erfreut. Und tun es weiter. Vorher war es normal, dass die Board-Fans ihre Traumdestinationen anflogen und die Ausrüstung dort liehen. Entsprechend hatten viele von ihnen zuhause gar kein Material. Das Motto ähnlich wie im Skiurlaub: Wir machen das sowieso nur in den Ferien. Mit der zunächst geforderten und inzwischen sehr beliebten Fokussierung auf die heimischen Binnenseen oder Küstenreviere, wurde vielen klar: eine eigene Ausrüstung sorgt für Unabhängigkeit und Flexibilität. Das hat die Industrie positiv zu spüren bekommen. Es wurde wieder mehr Ausrüstung verkauft. Dabei liegen großes Slalommaterial, SUPs- und All-in-One-Boards für Binnenseen voll im Trend. Sie sind beinahe Alleskönner mit dem Plus für die ganze Familie. Auf ihnen kann man gleich auch den Kindern noch beibringen, bei wenig Wind selbst umherzufahren. Das multitalentierte Equipment ist dankbar und sorgt schon bei wenig Wind für viel Spaß.
Auf diesem Weg hat sich eine erfreuliche Kettenreaktion ergeben: Erst mussten die Leute daheimbleiben. Darauf haben die Hersteller reagiert und das Beste daraus gemacht. Dazu haben unsere bildschönen Binnenseen und die Küstenreviere an Nord- und Ostsee ihr Potenzial demonstriert. Inzwischen macht der mit optimalem Material aufgewertete Urlaub zuhause zunehmend große Freude, die Entdeckung neuer Reviere vor der eigenen Haustür sowieso. Die Leute sind glücklich, stecken ihr Geld lieber in gute Ausrüstung und urlauben daheim. Ich erlebe das auf Fehmarn gerade selbst ganz intensiv: Die Insel war schon vor der Hauptsaison nahezu ausgebucht. Das gilt auch für die Surfschulen. Gleiches höre ich über Freunde aus allen Ecken der Republik. Die gesamten deutschen Wassersportreviere erleben ein Revival.
TESTEN, LERNEN UND SPASS HABEN: WASSERSPORTANLAGEN BOOMEN
Den Aufwind verspüren auch die Betreiber von Wassersportanlagen für Wasserski-Fans, Wakeboarder oder Wellenreiter. Wakeboarden ist so populär, dass die Anlagen wie Pilze aus dem Boden schießen. Zu den deutschen Anlagen-Magneten zählt das Wasserski- und Surf-Resort im rheinischen Langenfeld, das sein Angebot aufgrund der steigenden Nachfrage ständig erweitert und modernisiert. Auch Fehmarn hat jetzt eine Wakeboard-Anlage. Man kann Wasserskifahren und Wakeboarden auf einer Anlage sehr gut lernen. Dazu gibt es meist noch ein gutes gastronomisches Angebot oftmals angereichert durch eine Beachbar. Der Verband Deutscher Wassersportschulen (VDWS) konnte schon vor dem aktuellen Boom berichten, dass nicht einmal in der Pandemiezeit größere Einbrüche in Europa zu verzeichnen waren. Der europäische Markt hat etwa um das zugelegt, was aus deutscher und europäischer Sicht in Übersee verloren wurde.
FLÜGEL FÜR ALLE: WARUM DAS WINGSURFEN SO POPULÄR IST
Mein aktuelles Lieblingsthema ist das Wingsurfen – ja, richtig: mit G statt D – das Trendthema schlechthin. Einfach erklärt, geht es dabei um das Windsurfen mit einem aufblasbaren Flügel – deshalb „wing“. Er ist nicht mit dem Brett verbunden und man hält ihn in den Händen. Das funktioniert auf Boards mit oder ohne Foil und sogar fürs Stand-Up-Paddling, weil Wings vorne auf dem langen Brett unaufgepumpt kaum Platz brauchen. Man kann zum Beispiel eine Strecke paddeln und auf dem Rückweg den Wind zum Vortrieb nutzen. Ich finde, diese Flügel machen frei. Ich selbst habe am meisten Spaß beim Wingsurfen auf dem Foil. Ich habe damit meine Wasserzeit verdreifacht, weil ich bei weniger Wind schon viel mehr Spaß habe als mit dem Windsurfbrett in heimischen Top-Revieren bei Idealbedingungen. Auch gefällt mir, dass man keine Angst mehr vor sich verheddernden Leinen wie beim Kiten haben muss, wo schnell mal mächtige Kräfte wirken können. Alles ist simpel und vergleichsweise einfach zu lernen und zu handhaben und man ist bei Bedarf mit diesem „Wingding“ sehr schnell auf dem Wasser unterwegs. Auf den kürzeren Boards, die oftmals noch kürzer sind als die kürzesten Windsurf-Boards, hat man mit Foil beim Wingfoiling schon bei wenig Wind einen Wahnsinnsauftrieb. Dann gilt es vor allem, die Flughöhe zu kontrollieren. Denn wir fahren nicht, wir fliegen. Das ist ein erhabenes Gefühl und ein sehr leises Vergnügen.
FÜR FRAUEN UND FÜR MÄNNER: KITEN WIRD DOPPELT OLYMPISCH
2024 ist es soweit: Im französischen Olympiarevier vor Marseille surfen die Kiter um Olympiamedaillen. Und dies nicht – wie ursprünglich geplant – in Mixed-Teams. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat Anfang Juni beschlossen, dass Kiterinnen und Kiter bei ihrer Olympia-Premiere einen jeweils eigenen Wettbewerb austragen werden. Der athletische Faktor, der optisch faszinierende und schön anzusehende Sport und die große Windbandbreite, in deren Rahmen das Kiten betrieben werden kann, haben den Sport auf Foils zur neuen Olympia-Attraktion gemacht, die sicher weitere Begeisterungswellen auslösen wird. Außerdem freue ich mich darüber, dass auch das Windsurfen auf dem iQ-Foil für Frauen und Männer 2024 zu olympischen Ehren kommt und erhoffe mir eine weitere Sogwirkung für diese Sportarten.
ÜBERRASCHENDE ENTWICKLUNG IM SUP-MARKT: WARUM AUS QUANTITÄT DOCH QUALITÄT WIRD
Es gab Zeiten, in denen die SUP-Branche mit Sorgen in Richtung Discounter und Billig-Angeboten von SUP-Ausrüstung blickte. Da gab es ganze Sets für nur 250, 300 Euro zu kaufen. Die Markenhersteller fürchteten den Verlust von Marktanteilen. Doch so schlimm wie erwartet kam es nicht. Es waren nicht die engagierten Stand-Up-Paddler die sonst im Laden 800 Euro oder mehr für gutes Material ausgaben, und nun die Supermärkte stürmten. Es war eine ganz neue Gruppe von SUP-Interessenten, die über die günstigen Angebote den Weg zum SUP-Sport fanden. Und manche begeisterten sich so sehr, dass sie oder er später auf besseres Material umstiegen. Eine schöne Entwicklung also.
Im SUP-Markt gibt es für alle möglichen Einsatzgebiete ganz unterschiedliche Bretter. Aktuelle Gewinner sind die sogenannten Touring-Boards. Sie sind etwas schmaler und länger und lassen sich dadurch gut über lange Strecken geradeaus paddeln. Sie bieten auch für kleines (Picknick-)Gepäck Platz auf dem Bug. Für Neueinsteiger empfehle ich allerdings eher breitere Boards und unbedingt eine professionelle Einweisung oder die Teilnahme an einem Kurs. Das macht sehr viel mehr Sinn, als sich auf den ersten Blick erahnen lässt. Das SUP-Fahren ist nicht immer und überall so harmlos wie es aussieht. Die wichtigste Regel für Anfänger: Bei ablandigem Wind gilt für SUP wie Luftmatratze oder ähnliches ein klares Nein zum Ablegen! Vor Fehmarn beispielsweise liegen die Seenotretter immer in Lee und sammeln von dort die Abgetriebenen ein und sie haben in der Hochsaison leider keine Langeweile. Wir bemühen uns auch auf der boot jedes Jahr wieder mit allen Experten und dem VDWS in der Surfsporthalle 8a der boot Düsseldorf sehr intensiv um die Vermittlung solch wichtiger Hinweise. Wem Zeit oder Geld für einen Kurs fehlen, der kann sich zum Auftakt auch erst einmal entsprechende Videos bei Youtube ansehen. Hauptsache, man ist sicher mit dem SUP unterwegs.
EINE BRANCHE MIT UND FÜR DIE ZUKUNFT: MEHR NACHHALTIGE MATERIALIEN IM EINSATZ
Für die gesamte Surf- und Fun-Wassersportbranche gilt: Es wird stark zunehmend mit nachhaltigen Materialien experimentiert und auch produziert. Alle arbeiten daran, die Umwelt nicht über die Maße zu belasten. Billigproduzenten einmal ausgenommen, stelle ich fest, dass der Wille dazu inzwischen sehr ausgeprägt ist. Die Hersteller übernehmen Verantwortung. Das ist ein klarer Trend. Dazu mein Tipp an die Käufer: Fragt nach! Gebt im Zweifel und nach Möglichkeit ein paar Euro mehr aus, um dieses Engagement zu belohnen und die Entwicklung in die richtige Richtung voranzutreiben. Ein einfaches Beispiel: Es gibt lösungsmittelhaltige Kleber und leider auch sehr flüchtige Weichmacher. Wer schon mal ein neues aufblasbares Gummitierchen im Auto hatte, kann sich vielleicht an den scheußlichen Geruch erinnern. Da kann man sicher sein, dass dies für einen selber und die Familie nicht gesund ist. Dabei gibt es längst lösungsmittelfreie und somit gesündere Lösungen bei gleicher Qualität. Es lohnt sich auch, beim Kauf eines Wassersport-Produkts an die Lebensdauer zu denken: Billiger geht meist schneller kaputt. Und dann? Wer sich eine lange Lebensdauer wünscht, legt lieber gleich etwas mehr an und muss das Gerät nicht eine Saison später zu Lasten der Umwelt entsorgen.
DIE NEUEN TREND-LOOKS: POPPIGE BUNTE FARBEN UND RETRO-DESIGNS
Zum 40-jährigen Jubiläum hat der 1981 vom deutschen Admiral’s-Cup-Sieger Udo Schütz gegründete Windsurf-Hersteller Fanatic eine neue Board-Serie im Retro-Look aufgelegt. Mit lilafarbenem Deck und Mosquito-Muster-Print, erinnern sie an die Bretter der 1990er Jahre, die als „Falcon“, „Mamba“ oder „Ultra Mosquito“ populär waren und jetzt mit diesem optischem Fun-Faktor ihr Comeback feiern. Starboards beispielsweise tanzen mit einer frischen Brise Blau in Kombination mit Orange oder Gelb über die Wellen. Beim Segelhersteller Neil Pryde sind derzeit Farbverläufe en Vogue. Im Kitesport setzen die Produzenten oft und zur besseren Marken-Erkennung auf eigene, wiederkehrende Farben. Da blähen sich Segel in drei Farblinien, in stylischem Schwarz-Weiß oder in fast schon romantischen Pastell-Kreationen – so sind den eigenen Vorlieben kaum Grenzen gesetzt. Ein gutes Bild für den Surf- und Board-Sportsport insgesamt.
Über die boot Düsseldorf
Die boot Düsseldorf ist die größte Boots- und Wassersportmesse der Welt und jedes Jahr im Januar der Meeting Point der gesamten Branche. Die Aussteller präsentieren ihre interessanten Innovationen, attraktiven Neuentwicklungen und maritimen Ausrüstungen. Die nächste boot findet vom 22. bis 30. Januar 2022 in Düsseldorf statt. Auf der neuntägigen Messe mit 220.000 Quadratmetern in 17 Messehallen ist der internationale Markt zu Gast und bietet einen spannenden Einblick in die gesamte Wassersportwelt. Hier ist für jeden etwas dabei. Schwerpunkte sind Boote und Yachten, Motoren und Motorentechnik, Ausrüstung und Zubehör, Dienstleistungen, Kanus, Kajaks, Kitesurfen, Rudern, Tauchen, Surfen, Wakeboarden, Windsurfen, SUP, Angeln, maritime Kunst, Marinas, Wassersportanlagen, Beach Resorts und Charterring. Alle notwendigen Informationen finden Sie auf der Website der boot Düsseldorf, boot.de.