07.10.2021
Von Marcus Krall, Spezialist für Großyachten
Die Häuser rund um den Hafen sind in dieses wundervolle weiche Licht gehüllt, kurz bevor sich die Sonne hinter die Hügel senkt. Die Restaurants und Bars füllen sich so langsam mit Apero-Gästen. Stilettos klappern auf dem Kopfsteinpflaster, der Motor eines Sportwagens heult kurz auf und vermischt sich mit dem Wirrwarr verschiedener Sprachen. Die letzten Tagestouristen flanieren über Hafenpromenade und haben ihre Kameras im Anschlag, um das Geschehen festzuhalten – auch in der Hoffnung, den einen oder anderen Prominenten zu knipsen?
Wir haben jedenfalls einen perfekten Blick auf diese Szenerie. Sitzen auf dem Achterdeck, abgeliefert vor einem Jahr. Die Stewardess reicht Champagner-Cocktails, auf dem Tisch liegt ein Menüvorschlag des Kochs für heute Abend und die angedachte Route des Kapitäns für morgen. Meine Begleitung strahlt. Wir haben erneut die richtige Wahl getroffen: Das Chartern einer Yacht ist die vielleicht entspannteste Form des Urlaubs – ein feines Boutique-Hotel, das mobil ist und in dem das Verhältnis von Gästen und Angestellten meist bei 1:1 liegt.
Sharing ist nicht nur an Land ein Trend. Das Chartern von Yachten wird stetig beliebter; insbesondere nach dem sehr schwierigen „Corona-Sommer“ 2020 ist die Nachfrage aktuell enorm und das Angebot eher knapp – auch, weil viele Buchungen von 2020 auf 2021 geschoben wurden. Zudem gilt dieser Besitz auf Zeit als hervorragender Test, falls jemand mit dem Gedanken spielt, Yacht-Eigner zu werden. „Das Chartern bietet sich nicht nur als Urlaub an, sondern auch als Probe für Kunden, die schon recht sicher sind, dass sie in den kommenden Jahren eine eigene Yacht erwerben möchten“, sagt Adelheid Chirco, deutsche Büroleiterin des Brokerage-Hauses Ocean Independence, sicher stellvertretend für viele Yachtmakler. „So können Kunden ausprobieren, welche Yachten überhaupt ihren Geschmack treffen und vor allem auch, welche Features und wie viele Kabinen sie benötigen.“
Die Auswahl ist dabei gewaltig. Über yachtfolio.com, die B2B-Buchungsplattform der Mediterranean Yacht Brokers Association (kurz: MYBA), sind derzeit 1875 bemannte Yachten zwischen 15 und 168 Metern gelistet; die Wochenpreise bewegen sich zwischen 16.000 und drei Millionen Euro.
Fast jede Yacht, die Chartergästen bereitsteht, besitzt dabei einen sogenannten Central Agent. Er ist für alle Kunden und Broker (mit Kunden) die erste Anlaufstelle, wenn diese Yacht gechartert werden soll. Der Central Agent vermarktet die Yacht an B2C- (Charterer) und B2B-Kunden (Broker), führt den Buchungskalender und wickelt die administrativen Aufgaben für den Eigner ab. Selbstverständlich kann der Central Agent natürlich auch selbst Kunden für die von ihm verwalteten Yachten buchen – sozusagen als Inhouse-Deal –, diese Fälle treten jedoch eher selten auf, meist kommen die Anfragen von externen Maklern, den sogenannten Retail-Brokern. Die Kommission teilen sich im Falle eines Vertragsabschlusses die beiden Broker auf – der, der das Schiff verwaltet und der, der den Kunden bringt. Das Retail-Geschäft ist dabei in Sachen Kommission lukrativer, aber auch weitaus unberechenbarer. Zudem gibt es bei den großen Brokerage-Häusern eine Tendenz, die Kommission gleichwertig aufzuteilen, da der Arbeitsaufwand für die Central Agents stetig zunimmt.
Neben dem Wochenpreis, der die Yacht und die Crew enthält, zahlt der Charterer eine Advanced Provisioning Allowance (kurz: APA), einen Vorschuss auf die während des Aufenthalts anfallenden Nebenkosten. Dazu gehören etwa der Kraftstoff für Yacht, Beiboote und Wasserspielzeuge, die Liegeplatzgebühren, die Zollformalitäten und Gebühren für Kommunikation und Schiffsagenten. Auch die Verpflegung und jegliche Getränke werden von der APA bezahlt. Branchenüblich sind 30 Prozent des Charterpreises; die genaue Buchführung obliegt dem Kapitän der Yacht. Anfallen kann auch eine delivery fee, eine Überführungsgebühr, wenn Gäste in einem Hafen an Bord gehen möchten, der nicht dem Heimathafen der Yacht entspricht beziehungsweise nicht dem, in dem die vorangegangene Charter endet. In jedem Fall muss der Charterer in den EU-Mitgliedsstaaten eine Mehrwertsteuer zahlen, die allerdings je nach Reiseroute bis auf 6,6 Prozent reduziert werden kann.
Die ersten Charter-Reisen wurden dabei Anfang der 1970-er Jahre veranstaltet. In Deutschland fasste beispielsweise Moncada Yachts Fuß, ein italienischer Yachthändler, der bis dato als Verkaufsbroker einige Marken vertrat und dieses neue Geschäftsfeld erschließen wollte. Eine Yacht von 20 Metern galt bereits als groß und wurden mit rund 2000 D-Mark pro Tag taxiert; als Gigant galt die 53 Meter lange und Mitte der 1970-er gewasserte „Galu“. Die weltweite Charterflotte bestand aus 100 bis 200 Yachten, seriöse Dokumentationen gab es nicht. Kommuniziert wurde mit den Kunden über Brief und Telex, mit den Yachten über Norddeich Radio oder andere Stationen. „Es war eine wilde Zeit“, erinnert sich Adelheid Chirco, die damals wie heute als Charterbrokerin arbeitet und die komplette Entwicklung des Marktes miterlebt hat.
Waren in den 1980-er Jahren voluminöse Segelyachten vom Typ Jongert – insbesondere bei deutschsprachigen Eignern – gefragt, kehrte sich dieses Verhältnis mit den Jahren. Spätestens seit dem Jahrtausendwechsel wird der Markt von Motoryachten dominiert. Der Wunsch nach Bequemlichkeit und Volumen rangiert bis heute an erster Stelle. Wie viele Kabinen es an Bord gibt und wie das Dekor der Yacht aussieht, insbesondere innen, sind die vielleicht wichtigsten Entscheidungskriterien für oder gegen eine Yacht. Die Kundenstruktur habe sich, so Chirco, indes kaum verändert. Rund 80 Prozent aller Charter-Reisen werden von Familien angetreten. Oft seien drei Generationen an Bord, für die eine solche Reise die ideale Art der Familienzusammenführung darstellt. Als populärste Yachtgröße kristalliert sich dabei seit Jahren eine 30 bis 40 Meter lange Motoryacht heraus, die zwischen 50.000 und 100.000 Euro pro Woche kosten darf.
Während der Markt insgesamt stabil aufgestellt ist, haben sich die Bedingungen, wie gebucht wird, allerdings drastisch verändert. Kunden beziehungsweise deren Broker reservieren wesentlich kurzfristiger, man könnte fast von einem Last-Minute-Geschäft sprechen. „Früher“, sagt Expertin Chirco, „wurden Charter-Reisen langfristig geplant. Heute kommen Buchungen mitunter erst drei Tage vor Reiseantritt; und wir sprechen hier von hohen sechsstelligen Summen.“
Die gesellschaftlichen Trends bilden sich also selbst im absoluten High-End-Tourismus wie dem Superyachting wieder. Broker und Eigner müssen sich damit arrangieren wie auch damit, dass zunehmend Buchungsplattformen entstehen, die allerdings keinerlei Beratungsfunktion erfüllen. Nahezu alle seriösen und in der Mediterranean Yacht Brokers Association organisierten Broker raten bei Charterbuchungen dazu, eine renommierte Agentur zu kontaktieren, da diese über die neuesten gesetzlichen Bestimmungen informiert ist und, aus langjährigen Erfahrungen heraus, die besten Reiserouten zusammenstellen kann. Zudem besichtigen Broker – anders als Buchungsportale – persönlich die Yachten und können Crews wie Ausstattung professionell einordnen.
Dass das Chartern für Gelegenheitsyachties eine ideale Möglichkeit darstellt, den Luxus auf See zu genießen, steht außer Frage. Doch wer verchartert eigentlich? Bei knapp 1.900 im yachtfolio-System registrierten Yachten zumindest nicht der Löwenanteil aller Eigner: Um die 7.000 Yachten über 30 Meter Länge schwimmen derzeit rund um den Globus. Nimmt man die offizielle Länge, ab der eine Yacht zur Megayacht wird – also 24 Meter – sind es weitaus mehr; nur ernsthafte Statistiken wurden bislang nie erhoben; man darf aber von mindestens 10.000 Einheiten ausgehen. Im Bau befinden sich im Durchschnitt zudem um die 800 weitere Yachten; rund 120 Werften weltweit beschäftigen sich mit der Fertigung.
All diese Yachten können durchaus mit kleinen Unternehmen verglichen werden. Auf nahezu jeder von ihnen gibt es eine fest angestellte Crew – auf 25-Meter-Yachten sind es zwischen zwei und drei, auf 50-Meter-Yachten 10 bis 14 und auf 100-Meter-Yachten schon einmal 70 bis 100 Mitarbeiter. Hinzu kommen beispielsweise Kosten für Liegeplätze, Reparaturen und Wartungen. Der jährliche Aufwand, um eine Yacht zu unterhalten, beträgt, je nach Zustand der Yacht und Anspruch des Eigners, zwischen fünf und zehn Prozent des Anschaffungspreises. Für eine 25-Meter-Yachten fallen, inklusive eines professionellen Managements, Kosten von rund 450.000 Euro pro Jahr an.
Die von Eignern oder Kaufinteressenten oft gestellte Frage, ob Charterkosten diese Ausgaben vollständig kompensieren können, muss klar verneint werden. Bei geschätzten sechs gebuchten Wochen pro Jahr, kann eine 25-Meter-Yacht vielleicht 200.000 Euro im Jahr erlösen, von denen rund 150-160.000 Euro beim Eigner ankommen. Schaden kann es für möglichst viele Buchungen aber nicht, ein recht neutrales Interieur zu wählen, möglichst viele Kabinen zu besitzen und die Garage mit den neuesten Toys auszustatten.
Wer in eine Yacht investiert, muss diesen Erwerb unter einem anderen Gesichtspunkt als dem monetären betrachten. „Eine Yacht“, so sagte einmal ein bekannter Großyacht-Eigner, „ist ein Investment in die eigene Lebensqualität.“
Über die boot Düsseldorf
Die boot Düsseldorf ist die größte Boots- und Wassersportmesse der Welt und jedes Jahr im Januar der Meeting Point der gesamten Branche. Die Aussteller präsentieren ihre interessanten Innovationen, attraktiven Neuentwicklungen und maritimen Ausrüstungen. Die nächste boot findet vom 22. bis 30. Januar 2022 in Düsseldorf statt. Auf der neuntägigen Messe mit 220.000 Quadratmetern in 17 Messehallen ist der internationale Markt zu Gast und bietet einen spannenden Einblick in die gesamte Wassersportwelt. Hier ist für jeden etwas dabei. Schwerpunkte sind Boote und Yachten, Motoren und Motorentechnik, Ausrüstung und Zubehör, Dienstleistungen, Kanus, Kajaks, Kitesurfen, Rudern, Tauchen, Surfen, Wakeboarden, Windsurfen, SUP, Angeln, maritime Kunst, Marinas, Wassersportanlagen, Destination Seaside und Charterring. Alle notwendigen Informationen finden Sie auf der Website der boot Düsseldorf, boot.de.