Handicapped Diving - Zielsetzung, Ausbildung & Planung
Handicapped Diving
Zielsetzung, Ausbildung und Planung
Bei genauerer Betrachtung sind im Grunde alle Menschen ungeeignet, auch nur eine Stunde unter Wasser zu bleiben. Wir haben keine Kiemen, keine Schwimmhäute und sind durch luftgefüllte Hohlräume belastet. Unser Herz-Kreislaufsystem ist nur minimal angepasst und uns fehlt eine, für die Unterwasserwelt entwickelte Sinneswahrnehmung. Unser Schwimmstil hält einem Vergleich selbst mit dem tollpatschigsten Fisch nicht stand.
Nur durch spezielle Ausrüstungen können gesunde, tauchtaugliche Menschen die „natürlichen Behinderungen“ unter Wasser ausgleichen. Solange eine an Land einschränkende Erkrankung, unter Wasser durch Anpassung der Ausrüstung, entschärfte Tauchprofile oder spezielle Betreuung ausgeglichen werden kann, stellt sie lediglich einen veränderten Grad auf der Skala der „natürlichen Behinderungen“ unter Wasser dar.
Tauchsport für höhere Ziele Durch Integration in einen rehabilitativen oder präventiven Prozess verliert der Tauchsport seinen Selbstzweck und wird höheren Zielen unterstellt. Es gibt mittlerweile die unterschiedlichsten Programme und Organisationen, die den Tauchsport mit therapeutischen Zielsetzungen verbinden. Außer im Bereich der Körperbehinderungen wird Tauchen als Therapie, zur Kriminalprävention, Resozialisierung chronisch erkrankter Menschen, Erlebnispädagogik für Gehörlose und Blinde, um nur einige Beispiele zu nennen, eingesetzt.
Verschiedene Fähigkeiten mit Freude am Tauchen fördern Die Zielsetzung im Bereich der Körperbehinderungen variiert je nach Grunderkrankung oder Handicap. Durch Überlistung der Schwerkraft werden motorische und sensorische Fähigkeiten gefördert. Die Bewegung in einem fremden Lebensraum erhöht die Aufmerksamkeit und schult die kognitiven Fähigkeiten, welche die Behinderung kompensieren. Durch die Vermittlung von Erfolgserlebnissen entsteht ein Selbstbewusstsein, das zur Erlangung einer ausgeglichenen sozialen Kompetenz, Resozialisierung und Integration beiträgt.
Erhöhung der Leistungbereitschaft Durch Erkennung, Verarbeitung und Reproduktion von Lerninhalten erhöht sich die Leistungsbereitschaft. Zudem leistet die sportliche Betätigung einen Beitrag zur Verminderung des Risikos von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Letztendlich sollte jedoch die Vermittlung von Freude im Vordergrund stehen und der Proband sollte einen authentischen Tauchwunsch besitzen.
Tauchtauglichkeit - „Was kann der Proband unter Wasser“ Die Tauchtauglichkeitsuntersuchung einer körperbehinderten Person ist erfahrungsgemäß komplexer als die eines gesunden Tauchers. Sie sollte aufgrund der besonderen medizinischen und sportartspezifischen Fragestellungen von einem ausgebildeten Taucherarzt durchgeführt werden. Die notwendigen Zusatzuntersuchungen und die interdisziplinäre Abklärung erfordern nicht nur einen deutlich erhöhten zeitlichen Aufwand, sondern auch einen gesteigerten Einsatz von allen Beteiligten (z.B.: Krankengymnast, Orthopädietechniker, Herstellerfirmen von Equipment zur Maßschneiderung etc.). Eine langfristige Betreuung ist oft wünschenswert. Die tauchmedizinische Begleitung erfordert einen kontinuierlichen Dialog zwischen Ausbildern und Betreuern und setzt sich manchmal sogar bis ins Wasser fort, da sich die motorischen Fähigkeiten des Probanden unter aufgehobenen Schwerkraftbedingungen oft erheblich verbessern. Die Frage ist also nicht nur: „Was kann der Proband an Land“, sondern auch: „Was kann er unter Wasser“ und „ist das Kartmaß ausreichend für Bewegungen gegen den Wasserwiderstand“?
Spezielles Buddysystem Welcher Grad der Behinderung ist nun eigentlich noch für das Gerätetauchen tauglich? Ein Extrem ist die Meinung, dass fast jedermann bis zu einem gewissen Grad Gerätetauchen kann, und wenn auch nur im Flachwasserbereich des Schwimmbades. Das andere Extrem hält nur diejenigen für tauchtauglich, die sich selbst im stürmischsten Meer noch über Wasser halten können. Wie immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Die Tauchtauglichkeitsuntersuchung ist immer eine Einzelfallentscheidung. Zunächst einmal müssen die Grunderkrankung oder Behinderung und deren notwendige Medikation mit dem Tauchen vereinbar sein. Ist dies gegeben, gelten die gleichen Regeln wie für Gesunde.
Weitere Aspekte bestehen in der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, mit der sich eine Erkrankung unter tauchphysiologischen Bedingungen verschlechtern könnte, das Ertrinkungsrisiko, sowie eventuelle Veränderungen des Dekompressionsverhaltens. Unter Berücksichtigung des Sicherheitsaspekts für den Taucher selbst, aber auch für dessen Buddy, muss die notwendige Betreuung unter Wasser mit Einstufung in ein spezielles Buddysystem festgelegt werden. [Es gibt dabei vier Stufen von L für "Wie gesunder Sporttaucher" und autonom bis zu H-3 mit Tauchtiefenbegrenzung von 3m, im Ausnahmefall 5m und einer nötigen dritten Hilfsperson.]